Die Gesellschaft nach dem Geld. Eröffnung eines Dialogs.
Alles dreht sich ums Geld. Keine irgendwie geartete individuelle oder kollektive Praxis, keine technologische oder wissenschaftliche Entwicklung scheint ohne Geld denkbar zu sein. Seit langer Zeit wird Geld aber auch kritisiert, doch der Gedanke an eine ‚Gesellschaft nach dem Geld‘ löst Widerstand und Befremden aus, er widerspricht ‚gemeinhin akzeptierten Intuitionen‘ (Exposé VW-Stiftung: ‚Originalitätsverdacht?’). Dabei zeigen historische Studien (z.B. Jacques LeGoff, Geld im Mittelalter), dass Geld keineswegs immer die Rolle hatte, die es heute hat.
In dem anvisierten Projekt sollen erstens heterogene Wissensbereiche in einen Dialog treten und ihre Theorien und Kritiken des Geldes wechselseitig beleuchten. Dabei soll zweitens ergebnisoffen über die Möglichkeit post-monetärer Organisations- und Produktionsformen nachgedacht werden. Doch warum ist das überhaupt relevant?
In der Gegenwart überlagern sich zwei Selbstbeschreibungen. Einerseits ist nach wie vor die Rede von ‚digitaler Revolution‘, ‚Mediengesellschaft‘, ‚Netzwerken‘, ‚Industrie 4.0‘. Andererseits wird die Gegenwart als ausgesprochen krisenhaft beschrieben: ‚Finanzkrise‘, ‚Wirtschaftskrise‘, ‚Planetare Grenzen‘. Es gibt also einerseits die Beschreibung eines technisch-medialen Umbruchs und andererseits jene von tiefgreifenden gesellschaftlichen Störungen.
Dem Projekt liegt die Vermutung zugrunde, dass es einen Zusammenhang gibt, der sich als die Kollision der digitalen Medien bzw. digitalen Technologien mit dem Medium Geld beschreiben lässt. In zwei Hinsichten wird dies deutlich:
- Erstens scheinen die digitalen Medienprodukte kaum in der Warenform darstellbar zu sein. Digitale Güter sind im Prinzip beliebig reproduzierbar und somit nicht knapp (Jeremy Rifkin, Null-Grenzkosten-Gesellschaft). Eine auf Geld basierte Wissens- oder Informationsgesellschaft ist ein Widerspruch in sich.
- Zweitens wird immer dringlicher die Frage diskutiert, ob die universell programmierbaren, und daher vielseitig einsetzbaren, digitalen Technologien nicht in allen Sektoren so viel Arbeit überflüssig machen, dass die gesellschaftliche Reproduktion über Lohnarbeit, d.h. Arbeit im Tausch gegen Geld, problematisch wird. Dieser Gedanke taucht in: Race against the Machine u.a. von Erik Brynjolffson, Director des MIT Center for Digital Business, in „The Future of Employment“ von Osborne und Frey von 2013 oder in den Publikationen Martin Fords (The Lights in the Tunnel, The Rise of the Robots) auf. In krisentheoretischen Szenarien wird ein Zusammenhang zu den ‚Finanzkrisen‘ explizit hergestellt, die vielmehr als tiefe Strukturkrisen erscheinen (vgl. Ernst Lohoff/Norbert Trenke, Die große Entwertung).
Nach der Krise 2008 breitete sich ein unbestimmtes Unbehagen über ‚das Finanzsystem‘ aus. Die Selbstverständlichkeit der monetären Organisation erscheint als zunehmend brüchig – sofern die Krise nicht verschwörungstheoretisch auf ‚gierige Spekulanten‘ zurückgeführt wird. Allerdings wurde in vielerlei Hinsicht einfach so weitergemacht wie zuvor, ohne dass eine grundlegende Diskussion überhaupt angestoßen wurde (Philipp Mirowski, Never Let a Serious Crisis go to Waste).
Daher ist es notwendig, ergebnisoffen über Organisations- und Produktionsformen zudiskutieren, die das Geld nicht mehr als (zentrales) Medium verwenden, die Koordinationsleistungen auf andere Weise lösen – z.B. über neue Einsatzformen digitaler Technologien (Jeremy Rifkin, Access). Denn die enormen Mengen an Informationen, die durch digitale Medien heute akkumuliert werden können (‚Big Data’), könnten, statt bloß für Werbung, auch für Organisationsprozesse verwendet werden, ebenso wie die Formen der vernetzten Kommunikation und die damit gegebenen direkten Koordinationspotentiale. Über derartige Organisationsformen wird nachgedacht und es werden praktische Erfahrungen gesammelt (peer-to-peer-production, Oekonux, Commons).
In dem Projekt werden verschiedene Felder in ein kontroverses Gespräch gebracht: